Dienstag, 4. August 2015

Grösstes Klassenzimmer der Welt

Wir sind nunmehr seit 8 Monaten am Erfahren (im eigentlichen Sinne des Wortes) des riesigen Australien. Kommentare auf unsere Blogs und Emails von Zuhause bestätigen mich darin, dass wohl die meisten Leser Mühe haben, sich ein derart grosses Land vorzustellen. 
Darum müssen in diesem Land Probleme gelöst werden, die in unserem Alltag in der Schweiz schlichtweg nicht existieren. Eines davon ist die Ausbildung der Kinder in sogenannten remote areas. Neunzehn Outback stations (Farmen) sind grösser als 10’000 Quadratkilometer gross und somit der Nachbar gut und gerne 100-300 km weit weg. Geschweige denn der nächste Ort mit einem Laden, Kirche, Schule oder Ersatzteilen für Geräte und Maschinen. 

Aufgrund der Inspiration der Lehrerin Adelaide Miethke, wurde am 8. Juni 1951 in Alice Springs die erste School of the Air gegründet. Sie war der Überzeugung, dass der Mangel an sozialen Kontakten der Kinder in abgelegenen Gebieten, teilweise kompensiert werden kann durch entsprechende Ausbildung über Funk und den Kindern zudem eine erste Sozialisation ausserhalb der eigenen Familie bietet.
Im Januar 1960 wurde dann die School of the Air in Queensland gegründet, in Anlehnung an den Royal Flying Doctor Service (siehe entsprechender Blog). Das Unterrichten über Funk gestaltete sich als definitiv weniger interaktiv als dies seit 2003 möglich ist, wo überall Satelliten-Breitbandinternet und Webkameras eingesetzt werden. Somit erkennen die Schüler die Lehrerin und die Mitschüler nicht nur an deren Stimme, sondern können auch ein Gesicht damit verbinden. Zudem macht das heute auch Turnstunden möglich – dafür kommt eine Fitnessexpertin ins Studio in Alice Springs und macht Übungen vor, welche die Schüler Zuhause kopieren. Ganz ähnlich wie die Aerobicslektionen am Fernsehen mit Jane Fonda in den 80er Jahren…..

Früher verwendete Geräte für die Verbindung mit den Schülern

Eingang zur School of the Air in Alice Springs

Da wir die School of the Air in Alice Springs besucht haben, erwähne ich hier die für diesen Standort im Northern Territory gültigen Zahlen. 
Mit einer Grösse von 1,3 Mio Quadratkilometern, ist die School of the Air unbestritten das grösste Klassenzimmer der Welt. Sie hat aktuell 122 Schüler im Alter von 4.5 - 14 Jahren, die alle zwischen 80-1300km von Alice Springs entfernt, auf Rinderfarmen, in Aboriginal communities oder in einer touristischen Institution (Nationalpark, Roadhouse) mit ihren Eltern wohnen. 
Je nach Alter des Kindes hat es täglich (Montag - Freitag) eine halbe bis eine Stunde Klassenunterricht und jeder Schüler einmal wöchentlich seine privaten 10-15 Minuten mit der Lehrerin. Mindestens so wichtig wie die Lehrerin, die in einem der 3 Studios in Alice Springs sitzt, ist der sogenannte Tutor Zuhause. Dies kann ein Elternteil, eine Kinderbetreuerin oder eine Junglehrerin sein. Ihre Pflicht ist es, täglich mindestens 4 Stunden das Kind zu beaufsichtigen, es bei den Hausaufgaben zu unterstützen und zu motivieren. Jedes Kind bekommt monatlich einen dicken Stapel Papier mit Hausaufgaben, ergänzenden Büchern, Videos, DVDs und darin sind auch Informationen wie Lernziele, für den Tutor enthalten. Drei bis vielmal jährlich findet für jeweils eine Woche ein Schulcamp statt in Alice Springs, wo sich die Schüler einer Klasse besser kennenlernen. Diese Wochen sind immer einem bestimmten Thema gewidmet, wie Schwimmen, Sport allgemein, Zusammenarbeit, Umwelt etc. 

Gelb hinterlegt, das grösste Klassenzimmer der Welt

 So werden die Schüler mit Bild auf der Landkarte festgehalten


Studio in Alice Springs

Die School of the Air ist eine öffentliche Schule und sie stellt ihren Schülern das nötige Material wie Satellit, Computer mit Kamera, Headset und Drucker/Scanner leihweise zur Verfügung. Das Schulgeld ist gering (rund 300 CHF pro Kind und Jahr). Dazu ist zu sagen, dass rund 35-40% der australischen Kinder in private Schulen gehen. Eigentlich alle die es vermögen. Die öffentliche Schule hat keinen guten Ruf, die Klassen sind grösser und die Infrastruktur schlechter. Dieser Unterschied ist zum Teil mit den hohen Schulgeldern (bis zu 35’000 CHF pro Kind und Jahr an einer Privatschule) zu erklären, aber interessanterweise werden die privaten ebenso von Staat und Regierung finanziell unterstützt wie die öffentlichen Schulen. 

Sobald die School of the Air-Schüler das Highschool-Alter erreicht haben, muss das Kind unter der Woche, oder oft auch für ein ganzes Semester fern von Zuhause in einem Ort verbringen wo es die entsprechende Schulbildung bekommt. Für den Moment ist das auf jeden Fall noch so. Der Fortschritt der Technik wird da bald auch neue Möglichkeiten eröffnen. 

Mit Bildern oder ähnlichen Kunstwerken bedanken und verewigen sich die Kinder an der Basis in Alice Springs. Unten ein paar Beispiele im Detail




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