Sonntag, 6. September 2015

Australischer Kaffee

Das nördliche Queensland liegt in der tropischen Klimazone mit aktuell äusserst angenehmen Höchsttemperaturen zwischen 25 und 30°C die wir seit ein paar Wochen geniessen. Das Klima gefällt auch vielen, uns Schweizern weniger bekannten, Pflanzen. Die Landschaft ist geprägt von Zuckerrohrfeldern, Bananen- und Mangoplantagen, in Abwechslung mit üppigem Regenwald oder auch Weideland.
Das alles war keine grosse Überraschung mehr für mich, da ich 1994 etwa zwei Monate später in dieser Region war und damals zur Mangoliebhaberin wurde. Dass es aber in den Tablelands westlich von Cairns (auf rund 600-900 müM) auch Kaffee- und Teeplantagen gibt, weiss ich erst seit Kurzem. 

 Die Tablelands westlich von Cairns (unteres Bild detailliert) und gestrichelt der südliche Wendekreis (Tropic of capricorn), die Grenze zu den Tropen

Die Tablelands sind auf 600-900 müM gelegen. In Mareeba spielt die beschriebene Kaffeegeschichte

Die eindrückliche Geschichte, wie es zur ersten kommerziellen Kaffeeplantage in Australien kam, möchte ich hier erzählen. 
Nat und Linda Jaques beschlossen 1978 Tanzania (Afrika) aufgrund der instabilen politischen Lage und den damit verbundenen Sicherheitsrisiken zu verlassen. Nat, aufgewachsen auf einer Kaffeefarm am Fusse des Kilimanjaro und Linda, aufgewachsen in Kenia auf einer Teefarm, hatten die Vision, Kaffee in Australien anzubauen und damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. 

Sogenannter Kaffeegürtel. Er umspannt die Tropen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. Grösster Kaffeproduzent heute ist Brasilien, gefolgt von Vietnam und Kolumbien

Sie hatten Tanzania mit umgerechnet 2000 Franken verlassen. Der Rest ihres persönlichen Vermögens war von der Regierung „eingefroren“ mit dem Versprechen, jährlich 1000 CHF davon frei zu geben. Bis heute haben sie aber keinen Rappen von diesem Geld gesehen. 
Mit einem Wohnwagen reisten sie also von Perth aus durch Australien und hielten Ausschau für ein potentielles Kaffeeanbaugebiet. In landwirtschaftlichen Magazinen in Brisbane lasen sie, dass bereits um die Jahrhundertwende in den Tablelands in der Nähe von Cairns (siehe Karte oben) erfolgreich Kaffee kultiviert wurde. Der Untergang dieser Industrie ging parallel mit dem Aufkommen des personalintensiven Zuckerrohranbaus und der Abwanderung billiger Arbeitskräfte aus Neu-Kaledonien. Mit diesem Wissen, zeichnete sich das potentielle Anbaugebiet ziemlich schnell ab und 1979 pachteten Nat und Linda 80 Hektaren jungfräuliches Land, westlich von Mareeba. Sie importierten eine Auswahl der besten Züchtungen von Kaffeepflanzen, und fanden eine darunter, welche unbehandelt bestens gedieh. Sie wählten die Sorte Arabica, welche im Gegensatz zu Robusta, für höhere Lagen bestimmt ist. 
Nach einem Jahr harter Arbeit, viel Schweiss, Tränen und der Hilfe von Nats Bruder mit Frau, war 1980 die erste kommerzielle Kaffeeplantage (mit 120’000 Kaffeesträuchern) in Australien geboren. Sie setzten einen besonderen Fokus auf ein sorgfältig ausgedachtes Bewässerungssystem mit der Düngung direkt an den Wurzeln der jungen Kaffeesträucher.
Bald wurde die mechanische Ernte zur Priorität, und aus Neuseeland wurde eine Beerenpflückmaschine importiert, die aber leider nicht geeignet war für die Kaffeeernte. Zusammen mit Schiffskonstrukteuren aus Cairns, baute Nat in einem Jahr eine Maschine, die auf dem neuseeländischen Beerenpflücker basierte. Coffee Shuttle One war geboren. Dieses Präzisionsgerät erntet heute einen Strauch pro Sekunde! 

Die Operation stand jedoch nicht unter einem guten Stern. 1986, unter der politischen Führung von Premierminister Keating, tauchte Australien in eine heftige Rezession und der Zinssatz des Ein-Millionen-Darlehens von Jaques Plantation stieg auf 22% und führte zur Liquidation. Zu diesem Zeitpunkt hingen wunderbare 80 Tonnen Früchte an den Sträuchern, aber die Banken verhinderten die Ernte, welche als Resultat verloren ging und die Jaques waren ruiniert. Nicht aber ihr Glaube an dieses Unterfangen. 

So kauften sie 1990 an einer Auktion ein Stück, wiederum jungfräuliches, Land in den Tablelands, welches sie mit derselben Sorgfalt rodeten, die Bewässerung legten und so die zweite Jaques Kaffeeplantage aufzogen. Nach 5 Jahren und einer tollen Blüte der Sträucher, welche 20 Tonnen Früchte erahnen liess, kam der nächste Schicksalsschlag. Aufgrund einer drohenden Papaya Fruchtfliegenepidemie entschied das Departement for Primary Industries (DPI), dass alle Kaffeeplantagen gespritzt werden müssen, obwohl die Papaya Fruchtfliege Kaffee nicht befällt. Trotz heftigen Protesten der Jaques und der Zusicherung, dass ihre Pflanzen weder mit Insektiziden noch mit Fungiziden behandelt seien, wurden die Kaffeesträucher vom DPI für 10 Wochen in einen Giftdunst gelegt mit dem Resultat: 50’000 Kaffeesträucher vergiftet und zerstört – der Traum ein weiteres Mal zerschlagen.

Unverzagt starteten sie zum dritten Mal mit neuen Setzlingen auf neuem Land und haben nun eine Plantage von 25’000 gesunden produktiven Arabica Kaffeesträuchern etabliert. Erst 2009, nach 12 Jahre dauerndem Kampf mit den Behörden und mehreren Wochen im Gerichtssaal, wurde ihnen die Kompensation für den Verlust der 50’000 Kaffeesträucher gewährt und der (Alb)traum, eine Kaffeeplantage für ihre Söhne zu entwickeln ist Realität.
Die beiden Söhne Jason und Robert führen heute das erfolgreiche, auf dem Weltmarkt unbedeutende, Unternehmen. Sie produzieren jährlich rund 85 Tonnen Kaffee der hauptsächlich über ihren Webshop verkauft wird.

Besuchereingang zur Jaques Coffee Plantation – leider lässt sich der feine Kaffeeduft nicht über den Blog vermitteln

Der köstliche Kaffee wird in diesem stilvollen Raum oder auf der Terrasse serviert

Die Ernte findet einmal jährlich statt und im Unterschied zu den Kaffeeplantagen in Afrika, wo meist von Hand gepflückt wird, passiert das bei Jaques und den anderen Kaffeeanbauern in den Tablelands in Australien, maschinell. Die Ernte geht von Ende Mai bis Ende August.

Kaffeeplantage nach der Ernte

Die Ernte wird direkt auf dem Coffee Shuttle von Fremdkörpern befreit und die reifen Kaffeekirschen über ein Becherwerk in einen grossen Lagerbehälter gefördert. 

 Coffee Shuttle der Jaques

 Beeren werden mit diesen besenähnlichen, rotierenden Zylindern vom Strauch entfernt

 Die sogenannten Finger der "Besen" sind aus Glasfaser

Becherwerk im Coffee Shuttle

Die Beeren werden vorgereinigt mit Wasser und anschliessend „entpulpt“. Die Pulpe und die Fruchthaut werden abgequetscht, zurück bleibt die Kaffeebohne inkl. Pergamenthäutchen und daran anhaftendem Schleim.

 Reife Kaffeekirsche

Bohne von der Pulpe befreit

Diese werden in einen Fermentationsbehälter transportiert, wo sie während rund 20 Stunden gären (fermentieren). Die Pulpe wird zu Mulch und später als Dünger wieder eingesetzt. Nach der Fermentation werden die Bohnen gewaschen und anschliessend getrocknet.

Anlage mit Nassreinigung, Fermentationsbecken und anschliessender Trocknungstrommel

Gereinigte, getrocknete aber noch ungeröstete Kaffeebohnen

In diesem Zustand können die Kaffeebohnen bis zu 20 Monaten gelagert werden. Geröstet werden sie „just in time“, d.h. aufgrund von Kundenbestellungen. Erst im Röstprozess entstehen die kaffeespezifischen Geschmacks- und Aromastoffe sowie auch die dunkle Farbe. Über den Röstprozess konnte ich nicht sehr viel in Erfahrung bringen, aber das ist schliesslich auch das Geheimrezept jedes Kaffeeverkäufers.

1 Kommentar:


  1. Natürlich! Hier ist eine Antwort auf Deutsch zu dem Thema „Australischer Kaffee“ aus dem verlinkten Blogbeitrag:

    Hallo zusammen,

    Ich habe gerade den Artikel über australischen Kaffee gelesen und finde es großartig, wie du die Kaffeekultur in Australien beschrieben hast. Es ist faszinierend zu sehen, wie ernsthaft die Australier ihren Kaffee nehmen und wie sich die Kaffeekultur dort entwickelt hat. Besonders spannend finde ich den Vergleich zu anderen Ländern und die Betonung, dass es in Australien praktisch unmöglich ist, schlechten Kaffee zu bekommen.

    Die Erwähnung der verschiedenen Zubereitungsmethoden und die Liebe zum Detail bei der Kaffeezubereitung haben mich wirklich beeindruckt. Als Kaffeeliebhaber würde ich jetzt am liebsten sofort einen Flug nach Australien buchen, um den berühmten Flat White selbst zu probieren!

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