Wie gewährleistet ein so riesiges Land wie Australien (7.7 Mio Quadratkilometer - 186mal so gross wie die Schweiz) eine medizinische Notversorgung? Eine Frage, die ich mir auch schon gestellt hatte. Eher zufällig lernten wir den Royal Flying Doctor Service - kurz RFDS - ,welcher einen Grossteil dieses Notfalldienstes übernimmt, genauer kennen im Stützpunkt in Dubbo im Staat New South Wales.
Geschichtstafel und Hangar
Es ist keine staatliche, sondern eine gemeinnützige Organisation und operiert, ähnlich wie die Paraplegikerstiftung in der Schweiz, mit Spendengeldern.
Die Geschichte geht ins frühe zwanzigste Jahrhundert zurück und basiert auf dem Traum des Pfarrers John Flynn, eine angemessene medizinische Versorgung der Leute im Outback zu gewährleisten.
John Flynn (1880 - 1951) ist auf der australischen 20er Note abgebildet, sowie Indizien zu seinem Lebenswerk
Flynn lebte fast sein ganzes Erwachsenenleben im Outback, gründete Hostels und Buschspitäler für Missionare, Minen- und Strassenarbeiter, sowie andere Siedler. Er musste mitansehen, mit was für Problemen diese Pioniere kämpften. Ein Gebiet von beinahe 2 Millionen Quadratkilometern z.T. unerschlossenem Gelände, wurde von zwei Ärzten betreut. 1912 rief er die Australian Inland Mission ins Leben, um den Leuten im Outback spirituelle, soziale und medizinische Unterstützung zu geben.
1917 bekam er einen Brief von einem jungen australischen Medizinstudenten (Clifford Peel), der im ersten Weltkrieg als Fliegersoldat diente. In diesem Brief eröffnete er Flynn die Idee, Flugzeuge einzusetzen für die medizinische Versorgung des Outbacks. Peel sollte nie erfahren wie nachhaltig diese Idee Flynn inspirierte und was daraus wurde, da er in Frankreich im Dienste fürs Vaterland ums Leben kam.
Die folgenden 10 Jahre kämpfte Flynn für einen Aerial Medical Service. Dank einer grosszügigen Spende eines Freundes und der Begegnung mit einem Gründer von Quantas (Queensland and Northern Territory Aerial Service), startete 1928 in Cloncurry (Queensland) die "Victory", ein einmotoriger De Havilland Doppeldecker, mit dem aller ersten Flying doctor an Bord, Dr. Kenyon St Vincent Welch. Das Flugzeug bot Platz für einen Piloten (offenes Cockpit und voll dem Wetter ausgesetzt) und 4 Passagiere und hatte eine Reichweite von 850-1000km. Die Navigation erfolgte ausschliesslich über Kompass und anhand von Orientierungspunkten wie Flussbete, Zäune, Telegraphenleitungen oder Reifenspuren. Auch die Landepisten waren oft improvisiert. Trotzdem absolvierte der Aerial Medical Service im ersten Jahr 50 Flüge an 26 verschiedene Orte und behandelte 225 Patienten. Flynns Traum war Wirklichkeit!
Was nun noch fehlte, war die Kommunikationstechnologie, um den Service des RFDS effizient nutzen zu können. Alfred Träger leistete Pionierarbeit in der Entwicklung eines pedalangetriebenen Generators für die Stromversorgung eines leicht bedienbaren und vom Leitungsnetz unabhängigen Funkgerätes, wodurch auch entlegene Orte oder Farmen über eine Entfernung von 500 km mit dem RFDS Kontakt aufnehmen konnten. Der Vorteil war, dass eine einzelne Person Strom erzeugen konnte mit treten und seine Hände frei waren um das Funkgerät zu bedienen.
So muss man sich den Betrieb des pedal radios vorstellen
Der pedalbetriebene Generator, ausgestellt in Dubbo
1931, vier Jahre nach der Erstauflage dieses pedal radios, entwickelte Träger eine Tastatur, welche das normale Alphabet ins Morsealphabet übersetzte, somit war die Kenntnis dessen nicht mehr nötig.
Später wurde das RFDS Kommunikationsnetz modernisiert und ausgebaut und ab 1951 auch für die school of the air (gegründet in Alice Springs) genutzt, welche Schulkindern in abgelegenen Orten eine Interaktion mit anderen Schülern ermöglichte und sie Ihren Lehrern Fragen stellen konnten.
Etwa zu selben Zeit, hat eine Krankenschwester, Lucy Garlick, ein Mittel entworfen, um telefonische Konsultationen möglich zu machen. Dazu hat sie den menschlichen Körper in Sektoren unterteilt und diese nummeriert.
Lucy Garlicks Schema
Leute im Outback bekamen zu diesem Schema auch einen Medikamentenkasten mit nummerierten "Gütterli". So konnten sie dem Doktor am Telefon sagen, dass es sie schmerzt im Bereich 7 und der konnte Gegenfragen stellen und schlussendlich sagen, welches Medikament eingenommen werden sollte. Darunter gab es Medikamente, welche ausschliesslich von einem Doktor verabreicht werden durften.
Medikamentenkasten früher, ausgestellt im Stützpunkt Dubbo
Medikamentenkasten heute
Ab 1960 kaufte der RFDS seine eigenen Flugzeuge und konnte sie so umbauen, dass Intensivmedizin im Flugzeug möglich wurde. Ab sofort wurden auch Patiententransporte für Spitäler übernommen.
Organisation
Heute besteht der Royal Flying Doctor Service aus 7 Einheiten, die wiederum mehrere Stützpunkte haben (total 21 in Australien). Jede Einheit hat ein eigenes Management.
Zwei Räte jeder Einheit plus 6 gewählte, unabhängige Mitglieder bilden das Vereinsgremiums. Die Einheiten operieren unabhängig, sowohl finanziell wie auch operationell. Einige werden vom jeweiligen Staat finanziell unterstützt, aber das meiste Geld wird über Spenden-gelder und -aktionen generiert.
Zwei Räte jeder Einheit plus 6 gewählte, unabhängige Mitglieder bilden das Vereinsgremiums. Die Einheiten operieren unabhängig, sowohl finanziell wie auch operationell. Einige werden vom jeweiligen Staat finanziell unterstützt, aber das meiste Geld wird über Spenden-gelder und -aktionen generiert.
Zahlen
Der RFDS hat heute 61 Flugzeuge im Einsatz und beschäftigt 1150 Angestellte. Täglich
- werden rund 73’000km in der Luft und 203 Landungen absolviert
- erfolgen 750 Patientenkontakte
- werden 112 Patienten transportiert
- werden 243 Patienten telefonisch beraten in Notsituationen
Stützpunkt Dubbo
Diesen Stützpunkt, welcher zur Einheit South Eastern Section gehört, haben wir besucht und sind dabei von zwei sehr netten und redseligen Damen empfangen worden, die uns nicht nur die Organisation vorstellten, sondern auch ein Flugzeug, welches zu Ausbildungszwecken gebraucht wurde, besteigen liessen. Bemerkenswert ist, dass die Damen (wie auch die Kollegen in anderen Stützpunkten), als Voluntäre diese Öffentlichkeitsarbeit machen. Der minimale Eintrittspreis ($3 pro Person, entspricht ca. CHF 2.80) kommt der Stiftung zu.
Das Übungsflugzeug, das den Besuchern zugänglich gemacht wird
Geplant war ein kurzer Besuch dieser Basis, aber wir konnten uns auch nach 2 Stunden kaum „losreissen“.